KARATEbyJesse: Zehn japanische Wörter, die fast alle Karateka missverstehen (Teil 2)

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Karate kann tückisch sein. Besonders, wenn wir japanische Ausdrücke verwenden. Medizin hat Latein, Mathematik hat Zahlen, Karate hat Japanisch. Leider sind viele Leute von den japanischen Wörten im Karate verwirrt. Aber wenn man die Terminologie nicht versteht, kann man nicht optimal lernen oder unterrichten. Darum erkläre ich dir zehn japanische Wörter, die fast alle Karateka missverstehen. Hoffentlich wird dir der folgende Text helfen, Karate besser zu verstehen. Aufgepasst, weiter geht‘s!

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6. Geri

Missverstandene Bedeutung:
„Tritt“

Tatsächliche Bedeutung:
„Diarrhö“

Erklärung:
Auch wenn ihr euch vielleicht gerade beim Lesen am Kaffee verschluckt habt – es stimmt wirklich! Japanisch ist eine lustige Sprache…
Wenn man „Tritt“ meint, sagt man „Keri“. Aber wenn du ein anderes Wort voranstellst (wie „Mawashi“, „Mae“, „Yoko“ usw.), heißt es „Geri“.
Pass auf:
„Keri” = „Tritt“
„Mawashi-Geri“ = „Runder Tritt“
„Mae-Geri“ = „Fronttritt“
„Yoko-Geri“ = „Seittritt”
„Geri“ = „Diarrhö“
Wenn man Japanisch schreibt, ist das kein Problem, weil man verschiedene sino-japanische Ideogramme (bekannt als „Kanji“) verwendet. Aber wenn du nicht gerade Japanisch schreibst, solltest du den Unterschied zwischen „Keri“ und „Geri“ lernen, sonst – haha – steckst du ganz schön tief in der *!

7. Kiai

Missverstandene Bedeutung:
„Kampfschrei”

Tatsächliche Bedeutung:
„vereinigte Energie”

Erklärung:
Manchmal scheint es, dass Leute „Kiai“ schreien, nur um zu schreien. Aber „Kiai“ hat nichts mit Schreien zu tun. Dabei geht es nicht um das Training deiner Stimmbänder.
„Ki“ heißt wörtlich „Energie“ (siehe auch unter 2.) und „Ai“ bedeutet „vereinigen“. Das hilft dabei, den wahren Zweck eines „Kiai“ zu erklären: Die gesamte Energie deines Geistes, deines Körpers und deiner Technik („Shin-Gi-Tai“) zu vereinen im Sekundenbruchteil eines Momentes intensiver Kulmination. Für manche Leute ist ein Kiai nur ein „Kampfschrei“. Und das ist okay. Ehrlich gesagt, denke ich, dass die Leute im Alltag mehr schreien sollten. Aber für mich ist ein „Kiai“ ein essenzieller Ausdruck deiner Vereinigung mit deinem Selbst. Zeig mir deinen „Kiai“ und ich sage dir, wer du bist.

8. Rei

Missverstandene Bedeutung:
„Verbeugung“

Tatsächliche Bedeutung:
„Respekt“

Erklärung:
Karate beinhaltet viel japanische Etikette und Kultur. Eines der wichtigsten Dinge ist die Verbeugung – allgemein bekannt als „Rei“. Das Wort „Rei“ stammt von dem japanischen Wort „Reigi“, welches „Respekt, Höflichkeit, Benehmen“ bedeutet Aber die Verbeugung scheint heutzutage viel von der respektvollen Absicht eingebüßt zu haben, besonders wenn man sich manche Kumite-Wettkämpfer anschaut. Das sieht mehr aus wie ein saloppes Kopfnicken. Für mich ist „Rei“ integraler Bestandteil der Dojo-Etikette. Es ist die physische Manifestation deiner Dankbarkeit gegenüber denen, die dir auf deinem Weg helfen. Deshalb verbeugen wir uns sowohl vor dem Dojo als auch vor den Menschen darin. (Oft sagen wir dabei „Onegaishimasu“.) Ohne Respekt kann man keine Karate-Fortschritte machen. Karate beginnt und endet mit der Verbeugung.

9. Kumite

Missverstandene Bedeutung:
„Sparring/Kämpfen“

Tatsächliche Bedeutung:
„Umschlungene Hände“

Erklärung:
Das moderne Konzept von „Kumite“ hat viel von seinem Wesen eingebüßt. Heute üben wir „Kumite“ fast wie ein Anfassspielchen. Distanziert, ruckartig, unverbunden. Aber die ursprüngliche Absicht des kämpferischen Karate-Austausch zwischen zwei Personen war ganz anders. „Kumite“ bedeutet „umschlungen“/„verwickelt“ („Kumi“) plus „Hände“ („Te“). Nicht „Kämpfen“, „Sparring“ oder „Herumhüpfen auf der Jagd nach Punkten“. Mit deinem Gegner verschlungene Arme klingt nach einer viel kürzeren Distanz, oder? Tatsächlich haben die alten Meister früher oft Nahkampf unterrichtet. Die Kombination aus Fassen des Gegners mit Stößen, Tritten, Schlägen, Knien, Ellbogen, Gelenkhebeln und Takedowns war viel pragmatischer als die moderne Interpretation von „Kumite“. Diese ist im Zuge der Modernisierung des Karate und im Kontext der Wettkämpfe entstanden. Was früher eine tolle Kampftechnik war, kann dir heute eine Disqualifikation einbringen.

10. Osu/Oss

Missverstandene Bedeutung:
„Hallo“, „Tschüss“, „OK“, „Danke“, „Sorry“, „Komm her“, „Sieh mich an“, „Verstanden?“, „Verstanden!“ u.v.m.

Tatsächliche Bedeutung:
„Ein grober maskuliner japanischer kultureller Ausdruck, den viele im Westen missbrauchen“

Erklärung:
Erstens musst du wissen: „Osu/Oss“ ist ein sehr heikles Thema. Zweitens, die korrekte Schreibweise ist „Osu“. Aber da das „u“ stumm ist, denken viele, es werde „Oss“ geschrieben. Drittens, egal wie du es schreibst, „Oss/Osu“ drückt eine sehr große Bestimmtheit, Maskulinität und eine Hau-drauf-/Pack‘s-an-Mentalität aus. Ein Wort, das du nicht unbedacht verwenden solltest. Sag es zum Beispiel nie zu einer japanischen Person, außer diese ist jünger oder rangniedriger als du oder will, dass du es sagst. Und als Frau: Sag es gar nicht. Die japanische Gesellschaft ist hierarchisch und hat eine strenge Sprachetikette. Das habe ich auf die harte Tour gelernt, als ich in Okinawa, dem Geburtsort des Karate, lebte. (Fürs Protokoll: Dort habe ich niemals jemanden „Osu/Oss“ sagen gehört.) Der Ausdruck scheint aber in der westlichen Kampfkunst-Welt viral gegangen zu sein – auch im BJJ (Brazilian Jiu-Jitsu) und MMA (Mixed Martial Arts). Für eine Traditionalisten wie mich ist es bizarr, dass „Osu/Oss“ von Hinz und Kunz benutzt wird. Besonders dann, wenn sie die Bedeutung gar nicht kennen. Aber gleichzeitig verstehe ich das Bedürfnis nach einem solchen Allzweckwort für Kameradschaft und Zusammengehörigkeitsgefühl! Und manchmal benutze ich es deshalb selbst! Nur pass bitte einfach auf, wann und warum du es verwendest!

Das war meine Top Ten der am meisten missverstandenen japanischen Karate-Wörter. Letztlich denke ich, wir betrügen uns selbst, wenn wir im Karate japanische Wörter benutzen, die wir selbst gar nicht ganz verstehen. Eine gute Kommunikation ist die Basis von Lernen und Lehren. Also gib mehr Acht auf die Wörter, die du im Karate verwendest. Kleine Worte können eine große Wirkung haben…

Text: Jesse Enkamp, aus dem Englischen übersetzt von Eva Mona Altmann

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Über den Autor:
KARATEbyJesse ist vielen Karateka ein Begriff. Dahinter verbirgt sich der Schwede Jesse Enkamp, Kata-Wettkampfathlet und Inhaber eines eigenen Dojos und einer eigenen Karate-Gi-Marke, der sich mit interessanten und gut recherchierten Artikeln zum Karate und angrenzenden Themenbereichen sowie mit ansprechenden Videos von Turnieren, Lehrgängen und Reisen sowie Trainingstutorials im Internet einen Namen gemacht hat. Neben der Webseite www.KARATEbyJesse.com betreibt er auch einen YouTube-Kanal und ist in den sozialen Medien vertreten. In der Vergangenheit waren seine Texte nur mit genügend Englischkenntnisse zugänglich. Aber mit freundlicher Genehmigung des Autors erscheinen seit Mitte 2014 ausgewählte Artikel in der deutschen Übersetzung von Eva Mona Altmann (Dipl.-Übers.) beim KDNW. Wir freuen uns sehr über diese grenz- und sprachübergreifende Kooperation mit Jesse Enkamp!

Die nächsten Termine:

april

27apr10:0014:00Prüfer:innenlehrgang Wado-RyuDüsseldorf, Turnhalle Brehmschule

28apr10:0018:00Landesmeisterschaft Jugend, Junior:innen, u21Oberhausen, Willi Jürissen Halle

mai

04mai10:0022:00Cologne OpenKöln, Gesamtschule Stresemannstraße

10mai(mai 10)19:3011(mai 11)7:30Krefelder Kata-NachtKrefeld-Zentrum

11mai16:3017:30Mitgliederversammlung der Stilrichtung GOJU-Ryu im KDNWKamen, Schulzentrum, Halle 2, erstes Drittel

18mai10:0014:00SOK-Lehrgangsreihe SelbstverteidigungBottrop, Grundschule Schürmannstraße, Zugang über Straße Lichtenhorst

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