42 Geheimnisse, die ich vom weltbesten Kata-Trainer gelernt habe – Teil II

KARATEbyJesse

jesse enkamp
Über den Autor:
KARATEbyJesse ist vielen Karateka ein Begriff.Dahinter verbirgt sich der Schwede Jesse Enkamp, Mitglied der Kata-Nationalmannschaft und Inhaber eines eigenen Dojos, der sich mit interessanten und gut recherchierten Artikeln zum Karate und angrenzenden Themenbereichen sowie mit ansprechenden Videos von Turnieren und Lehrgängen im Internet einen Namen gemacht hat. Neben der Webseite www.KARATEbyJesse.com betreibt er auch einen YouTube-Kanal und ist bei facebook, twitter & Co. vertreten. Bisher waren seine Beiträge nur mit genügend Englischkenntnisse zugänglich.  Dies ändert sich nun: Mit freundlicher Genehmigung des Autors erscheinen ausgewählte Artikel in deutscher Übersetzung beim KDNW. Als Diplom-Übersetzerin ist es mir eine besondere Freude, Jesse Enkamp für diese grenz- und sprachübergreifende Kooperation gewonnen zu haben.

“Ich hatte die einmalige Gelegenheit hatte, privat mit dem weltbesten lebenden Kata-Trainer zu trainieren. Soke Inoue Yoshimi. Die Liste seiner berühmten Schüler liest sich wie ein Epos: Rika Usami, Atsuko Wakai, Antonio Diaz… Er ist eine regelrechte Kata-Champion-Maschine. Also… Was ist sein “Geheimnis”? Hallo? Machst du Witze? Er hat so um die tausend davon! Und einige muss ich einfach mit euch teilen. Klingt das gut? Prima. Also hier kommt meine Liste mit 42 Dingen, die ich im Training bei Soke Inoue Yoshimi, dem weltbesten Kata-Trainer, gelernt habe.

25. 0,2 Sekunden. So schnell sollte deine Technik sein. Das ist ein Blinzeln. 0,3 Sekunden, wenn du ein langsamer Blinzler bist.

26. Es ist okay, den Ablauf/die Abfolge einer Kata vom Video zu lernen. Aber nur ein Sensei kann dir beibringen, wie man sie ausführt.

27. „In meinem Dojo fangen wir mit dem Training um 9 Uhr morgens an und hören um 11 Uhr abends auf. Manchmal vergessen wir sogar zu essen.“ (Moment…warte. Ihr vergesst WAS?!)

28. Die Leute denken, Kata sei eine Aneinanderreihung von Positionen. Aber das ist falsch. Kata ist nicht A, B, C oder D – es geht darum, wie du von A nach B nach C nach D kommst. Daher sollte ein guter Sensei, Trainer oder Kampfrichter immer auf die Bewegungen zwischen den Techniken achten und nicht nur auf die Endpositionen. Das unterscheidet eine gute von einer schlechten Kata.

29. Entfaltung. Schnüre niemals deine Techniken ab, quetsche sie nicht. Lustigerweise machen die meisten Leute genau das und nennen es dann “Kime”. Aber nach Inoue solltest du genau das Gegenteil tun. Stelle dir vor, du trittst einen Fußball. Du spannst dich im Moment des Auftreffens nicht an, oder? Natürlich nicht. Der Ball würde dann gar nicht fliegen. Das gleiche gilt für einen Baseball oder Golfball. Am Ende deiner Bewegung dehnst du dich richtig aus, damit der Ball fliegt, nicht wahr? Also mach das gleiche bei deinen Karate-Techniken. Statt dich zu sperren und deinen Körper im Endpunkt zu verkrampfen, entfalte dich und lass es weiter fließen. Keine Anspannung. Nur Ausdehnung.

30. Bei Seitwärtstritten (Yoko Geri), halte deinen Fuß wie beim Vorwärtstritt (Mae Geri). Deine Zehen sollte nach oben angezogen sein und die Trefferfläche ist nicht die Fußkante, sondern die Seite der Ferse.

31. Wenn du gehst/gleitest und schlägst, stoppe eine Millisekunde vor deinem Schlag. Das ermöglicht es, die Bewegungsenergie in deinen Arm zu übertragen. Das ist wie bei einem fahrenden Auto, das crasht: Das Auto stoppt abrupt (dein Körper), aber der Insasse fliegt durch das Fenster (dein Arm). Also schlage nicht gleichzeitig mit der Bewegung. Aber schlage auch nicht zu spät. Das richtige Timing ist sehr wichtig und schwierig.

32. Es gibt drei Drehpunkte. Ferse, Mittelfuß und Fußballen. Welchen Teil solltest du benutzen? Meistens die Ferse (siehe Punkt 5).

33. Wenn du in der Katzenfußstellung vorwärts gehst (Neko Ashi Dachi), drehe auf deinem Mittelfuß. Nicht auf der Ferse. Nicht auf den Zehen. Sondern auf deinem Mittelfuß. So ist es richtig im Neko Ashi Dachi. (Es sind solche sonderbaren Fakten, die wir zweimal werden erklären müssen, wenn die Aliens landen.)

34. Das Ein-Bein-Prinzip. Du benutzt nie beide Beine gleich. Ein Bein ist immer das “Kraft-Bein”. Wenn du herausfindest, welches Bein jeweils bei einer bestimmten Technik das Kraft-Bein ist, wird deine Kraft explodieren. Das ist großartig. Zum Beispiel, wenn du rechts einen tiefen Block (Gedan Uke/Barai) in Shiko Dachi/Kiba Dachi machst, ist das linke Bein dein Kraft-Bein. Da sollte alle Kraft sein. Dein rechtes Bein dient nur der Unterstützung.

35. Die Stände sind für Westländer schwierig, weil unsere Beine so lang sind. Deshalb ist Kata für japanische Menschen einfacher. Aber Kumite ist einfacher für Westländer, weil „Japaner nicht so hoch treten können“.

36. Entspanne das Schulterblatt = knallige Technik. Dein Schulterblatt ist die Basis deines Arms und muss locker sein. Bei steifen Schultern empfiehlt Sensei Inoue Übungen für die Beweglichkeit der Schulter nach hinten und nicht nur nach vorne/oben/seitlich.

37. „Die Kampfkunst unterstützt die Schwerkraft. Sie sind Freunde.“ Um dich schneller zu bewegen, arbeite mit der Schwerkraft zusammen. Lass sie dich buchstäblich in jeden Stand ziehen.

38. Beim Drehen senkst du dich um 4-5 cm. Wenn dein Körper sich senkt, drehe dich und fange ihn im nächsten Stand. Das wichtigste ist das schnelle Öffnen und Sperren deiner Gelenke.

39. Du fühlst dich lustlos? Gib deinem Sensei die Schuld. Wenn ein Sensei mit müder Stimme zählt („ichi, ni, san…“), ist es schwierig, deine beste Technik zu zeigen. Ein Sensei sollte mit großer Leidenschaft zählen („ICHI, NI, SAN!“), um dich zu inspirieren und alle zu ermutigen, das Beste zu geben. Zufälligerweise hat mir Luca Valdesi einmal das gleiche gesagt.

40. Anfänger schlagen mit der Hand. Experten schlagen mit dem Schulterblatt. Meister schlagen mit dem Kern.

41. Du kannst dich entschuldigen oder du kannst besser werden. Du kannst nicht beides.

42. Öffne deinen Mund. Wieder.

Ende.

Haftungsablehnung des Autors:
Die Informationen in diesem Artikel basieren lediglich auf meiner eigenen Interpretation des Training mit Sensei Inoue und sollten nicht als offizielle Repräsentation der Japan Karate-Do Inoue-Ha Shito-Ryu Keishin-Kai oder Inoue Yoshimi betrachtet werden.

Text: Jesse Enkamp, aus dem Englischen übersetzt von Eva Mona Altmann

Der Text wurde abgedruckt in der Karate Aktuell 4/2014.

Teil I…

Die KARATEbyJesse-Reihe wird fortgesetzt…

Die nächsten Termine:

juli

18jul(jul 18)10:0029(jul 29)18:00AusgebuchtFerienfreizeit für Kids von 12 bis 17 JahrenKroatien, Campingplatz Kozarica

august

15aug(aug 15)11:0018(aug 18)13:00AusgebuchtTrainerassistent:innen AusbildungNettetal, Sport- und Erlebnisdorf Hinsbeck

17aug10:0017:30Kata/Bunkai-Lehrgang mit D. Herbst und T. SchmitzBonn, Sporthalle der Gottfried-Kinkel Grundschule

17aug14:0016:00Stilrichtungslehrgang ShotokanBünde

18aug10:0012:00Stilrichtungslehrgang ShotokanBudokan Bochum e. V.

25aug10:0014:00Stilrichtungslehrgang Goju-RyuKamen, Turnhalle am Gymnasium

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