KARATEbyJesse: Fünf Geheimnisse für einen erfolgreichen Club (und ein längeres Leben?)

KARATEbyJesse

Das Leben der Jungen (und Mädchen) auf Okinawa dreht sich im Großen und Ganzen um zwei Dinge: Schule… und Sport. Wenn sie nicht gerade schlafen oder essen, beschäftigen sie sich mit einem von beidem. Entweder lernen sie in der Schule (oder machen Hausaufgaben) oder sie trainieren (Sport) mit ihren Schulkameraden. Ein ziemlich geschäftiges, aber dennoch irgendwie einfaches Leben.

Wenn aber die Kinder auf Okinawa (und allgemein in ganz Japan) so beschäftigt sind mit Schule und Aktivitäten, wie kann es dann sein, dass sie die welthöchste Lebenserwartung (81,2 Jahre im Durchschnitt) haben? Müssten sie nicht eigentlich schon mit 20 ein Burnout haben und bereit sein fürs Löffelabgeben?

Was ist ihr Geheimnis?

Wenn es nach der Wissenschaft geht, ist die Antwort einfach: Es ist die Ernährung. Ihre gesunde Inselküche (Fisch, Seegras, Tofu usw.) hält sie so unglaublich gesund… oder nicht?

Meiner Meinung nach ist das nur ein Teil des Geheimnisses. Denn, glaub es oder nicht, die Okinawaner lieben frittiertes Essen. Ungelogen! Hühnchen, Fisch, Schwein, Eier, Kartoffeln, Pferd und alles mögliche andere wird frittiert. An jeder Ecke! Wenn man es essen kann, kann man es auch frittieren!

Wie passt das nun mit ihrem „langen und gesunden Leben“ zusammen? Uns wurde doch immer gesagt, dass frittiertes Essen „böse“ ist und allgemein gemieden werden sollte, oder nicht?

Haben wir also hier ein Paradoxon? Das gesündeste Volk der Erde liebt frittiertes Essen? Nun, vielleicht ist die Ernährung gar nicht das wahre Geheimnis hinter einem langen Leben.

Alltagsroutine

Vielleicht hängt das mehr mit ihrer Alltagsroutine zusammen… zum Beispiel mit dem Training!

Natürlich wissen wir alle, dass Training gut ist, das ist nicht neu. Aber das Training, von dem ich rede, ist besonders – die Gruppe als ganzes ist dabei wichtiger als die Individuen. Das gilt für die ganze okinawanische Gesellschaft, nicht nur für den Sport. Gruppe, Gruppe…, Gruppe.

Die Gruppe steht immer an erster Stelle. Fast scheint es, als läge dies in ihrer DNA.

Gruppenkohäsion

Die Okinawaner sind echte Meister darin, Gruppen zu bilden, sie zu pflegen und zu vergrößern. Ich weiß nicht, ob es dafür ein originelles japanisches Wort gibt, aber es gibt einen westlichen Begriff dafür: Gruppenkohäsion – „die Kraft, die Gruppenmitglieder einander näher bringt”.

Wenn du Mitglied eines Karate-Clubs bist oder einen Karate-Club betreibst, solltest du dich unbedingt mit diesem Thema befassen! Ich bin überzeugt, das ist der Schlüssel zum langen und glücklichen Leben der Okinawaner: Soziale Kreise und Gruppenkohäsion. Und nicht das frittierte Hühnchen.

Was also hält eine Gruppe zusammen? Und wie können wir das für unsere Karate-Schulen nutzen?

Glaubt man einem Haufen Experten, über die ich in einem Buch gelesen habe („Social Psychology“ von Kenneth S. Bordens und Irwin A. Horowitz), gibt es ein paar wichtige Punkte. Und zwar folgende:

1. Gegenseitige Anziehung der Gruppenmitglieder

Gruppen sind grundsätzlich kohäsiv, wenn die Gruppenmitglieder sich gegenseitig attraktiv oder freundlich finden. Alles, was dazu beiträgt, dass Menschen sich gegenseitig mehr mögen, verstärkt die Gruppenkohäsion.

Empfehlung: Sorge dafür, dass die Leute sich mögen. So einfach ist das.

2. Nähe der Mitglieder (geringe physische Distanz; nah beieinander leben/arbeiten)

Manchmal genügt es schon, regelmäßig Zeit miteinander zu verbringen, um ein Gruppengefühl herzustellen. Die verschiedenen Abteilungen einer Versicherungsgesellschaft – Marketing, Forschung, Verkauf usw. – nehmen sich selbst als Gruppen wahr.

Empfehlung: Stell physische Nähe zwischen den Leuten her. Zum Beispiel durch Graduierungsgruppen, Übungen zu zweit usw. Eine einheitliche Kleidung (T-Shirt, Aufnäher oder Jacke des Vereins etc.) solltest du auch in Betracht ziehen, weil es die Leute physisch näher zusammenrückt.

3. Einhaltung der Gruppennormen durch die Mitglieder

Wenn Mitglieder ohne Widerstand nach den Normen der Gruppe leben, ist diese kohäsiver als wenn ein oder zwei Mitglieder stark abweichen oder viele Mitglieder ein bisschen abweichen.

Empfehlung: Stelle sicher, dass jeder die Regeln kennt und befolgt. Je weniger Regeln du hast, umso einfach ist es, sie zu befolgen. Wenn Leute abweichen (also die Regeln brechen), handle sofort.

4. Erfolg der Gruppe beim Erreichen des Ziels

Gruppen, die mit Erfolg ihre Ziele erreichen sind für ihre Mitglieder offensichtlich befriedigender und daher kohäsiver als solche, die versagen. Wenn Gruppen nicht schaffen, was sich die Mitglieder wünschen, existieren sie nicht mehr lange oder organisieren sich mindestens neu.

Empfehlung: Sorge dafür, dass die Gruppe Ziele hat, die alle kennen, und dass diese erreicht werden. Eine zufriedene Gruppe ist eine starke Gruppe. Einige wenige erreichbare Ziele sind besser als viele (geringeres Risiko zu scheitern). Wenn ein Ziel geschafft ist, stelle sicher, dass die Gruppe das auch erfährt! Denke dabei an Prüfungen, Turniere etc.

5. Schwierigkeit des Gruppenbeitritts

Wenn Eintrittskriterium oder Aufnahmeverfahren (Initiation) schwierig sind, erscheint die Gruppe dadurch exklusiver. Je „elitärer“ die Gruppe wirkt, desto prestigeträchtiger ist es, Mitglied dort zu sein und folglich sind die Mitglieder umso motivierter, zu der Gruppe zu gehören.

Empfehlung: Gib der Gruppenmitgliedschaft einen exklusiven Anschein. Lass es schwierig erscheinen, aufgenommen zu werden. Denke zum Beispiel an Prüfungen: Eine Person, die für ihren Schwarzgurt hart kämpfen musste, bleibt eher in der Gruppe (der Schwarzgurte) als jemand, der ihn sehr leicht bekommen hat. Denke über eine Gruppe für Fortgeschrittene und deren Voraussetzungen nach.

Eine einfache Rechnung

Wende diese Regeln an und du wirst erfolgreich Gruppen schaffen, entwickeln und pflegen.

Bessere Gruppe = mehr + glücklichere Schüler*innen = bessere Finanzlage = besserer Club.

Und wahrscheinlich auch ein längeres Leben. (Aber iss dein Gemüse trotzdem, dann bist du auf der sicheren Seite.)

Text: Jesse Enkamp, aus dem Englischen übersetzt von Eva Mona Altmann

Team
karatebyjesse logo

Über den Autor:
KARATEbyJesse ist vielen Karateka ein Begriff. Dahinter verbirgt sich der Schwede Jesse Enkamp, Kata-Wettkampfathlet und Inhaber eines eigenen Dojos und einer eigenen Karate-Gi-Marke, der sich mit interessanten und gut recherchierten Artikeln zum Karate und angrenzenden Themenbereichen sowie mit ansprechenden Videos von Turnieren, Lehrgängen und Reisen sowie Trainingstutorials im Internet einen Namen gemacht hat. Neben der Webseite www.KARATEbyJesse.com betreibt er auch einen YouTube-Kanal und ist in den sozialen Medien vertreten. In der Vergangenheit waren seine Texte nur mit genügend Englischkenntnisse zugänglich. Aber mit freundlicher Genehmigung des Autors erscheinen seit Mitte 2014 ausgewählte Artikel in der deutschen Übersetzung von Eva Mona Altmann (Dipl.-Übers.) beim KDNW. Wir freuen uns sehr über diese grenz- und sprachübergreifende Kooperation mit Jesse Enkamp!

(ema)

Die nächsten Termine:

april

27apr10:0014:00Prüfer:innenlehrgang Wado-RyuDüsseldorf, Turnhalle Brehmschule

28apr10:0018:00Landesmeisterschaft Jugend, Junior:innen, u21Oberhausen, Willi Jürissen Halle

mai

04mai10:0022:00Cologne OpenKöln, Gesamtschule Stresemannstraße

10mai(mai 10)19:3011(mai 11)7:30Krefelder Kata-NachtKrefeld-Zentrum

11mai16:3017:30Mitgliederversammlung der Stilrichtung GOJU-Ryu im KDNWKamen, Schulzentrum, Halle 2, erstes Drittel

18mai10:0014:00SOK-Lehrgangsreihe SelbstverteidigungBottrop, Grundschule Schürmannstraße, Zugang über Straße Lichtenhorst

Ähnliche Artikel:

Menü
X