Vergleichskampf in der DDR – oder wie er dem Mauerfall zum Opfer fiel…

Während des Gasshuku in Konstanz im Sommer 1989 vereinbarte der Dojoleiter des Karate Dojo Lemgo Erich Busch mit dem ostberliner Karate-Pionier Axel Dziersk einen Vergleichskampf zwischen den Kumite-Teams des KD Lemgo und Ost-Berlins.

Als Termin wurde der 11. November 1989 in den Wettkampfkalender eingetragen. Der gesamte Verein fieberte dem Aufeinandertreffen in der Hauptstadt der DDR entgegen. Die politischen Verwerfungen im Herbst ´89 ließen eine äußerst interessante Reise in den Osten erwarten.

Und dann fiel – für uns alle überraschend – am 9. November, zwei Tage vor unserem Vergleichskampf, die Berliner Mauer.

Am 11.November ging es mit unserem Vereinsbulli um 4 Uhr morgens auf die A2 – zwei Stunden früher als geplant, um dem prognostizierten erhöhten Verkehrsaufkommen vorauszueilen. Aber die Autobahn war frei. Schon um 6 Uhr wurde in Helmstedt vor der innerdeutschen Grenze schnell noch mal feudal gefrühstückt und dann fuhren wir über den Grenzübergang Marienborn. Dort hätte man noch zwei Tage früher die umfangreichen beklemmenden DDR-Grenzkontrollen über sich ergehen lassen müssen, aber nun waren alle Schlagbäume geöffnet. Wir sahen uns schon zum zweiten Frühstück auf dem Alexanderplatz, als wir über die letzte kleine Anhöhe vor der Magdeburger Börde fuhren und direkt dahinter war Stau in alle Richtungen: alles verstopft mit vollbesetzten Trabbis, die in eine riesige blaue Wolke aus Abgasen gehüllt waren.  Der Stau zog sich im Stop-and-Go bis zum Grenzübergang Drewitz.

Wir vertrieben uns zwischendurch auf der Transitstrecke mit einer Fotosession die Zeit. Der Lemgoer Sportreporter Wolfgang Sprentzel hatte uns extra eine Kamera mitgegeben, um ihm anständige Bilddokumente dieses innerdeutschen Sportaustausches zu liefern.

Das sah schon klasse aus: das Dojo Lemgo in seinen neuen Trainingsanzügen aus Ballonseide in Pastellfarben inmitten von Wartburgs und Trabbis und alle Menschen hatten ein breites Grinsen auf dem Gesicht.

Es dauerte Stunden und wir hatten schon leicht Verspätung, als wir endlich West-Berlin erreichten. Direkt durfte man damals nicht nach Ost-Berlin fahren, daher mussten wir durch den Westen der Stadt. Auf der Avus hatten wir dann sogar 5 km freie Fahrt, bis wir auf dem Weg zum Checkpoint Charlie wieder im Stau steckten. Aber es herrschte eine ganz tolle Stimmung.

West-Berlin war überschwemmt von Menschen aus dem Osten, die man an ihrer Kleidung und an den Plastiktüten voller Obst identifizieren konnte.

Alle hatten gute Laune und waren in Feierstimmung. Nach zwölf Stunden Reise stellte sich dann am Checkpoint Charlie heraus, dass wir als West-Deutsche diesen Grenzübergang nicht benutzen durften und deshalb ging es wieder zurück in den Stau zum Grenzübergang Heinrich-Heine Straße. Von dort aus erreichten wir dann gegen 18 Uhr endlich die Hauptstadt der DDR.

Jeder von uns musste 25 Westmark in 25 Ostmark umtauschen.
Der Vopo bei der Grenzkontrolle filzte unseren Bulli und machte uns mit Worten, die man nicht unfreundlicher vortragen konnte, darauf aufmerksam, dass wir bis um 24 Uhr die Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik wieder verlassen müssten, sonst drohe uns ein Strafgeld von 1000 Mark pro Person oder Haft, während drumherum die Menschenmassen in ausgelassener Stimmung in den Westen der Stadt strömten. Wir ließen uns die gute Laune auch nicht vermiesen und machten uns auf den Weg zur Sporthalle. Da wir in Zwischenzeit deutlich zu spät dran waren, versuchte Erich Busch nun seine Kontaktperson in Ost-Berlin zu erreichen. Aber keine Chance – niemand ging ans Telefon. Offensichtlich hatten die Karateka aus Ost-Berlin nicht auf uns gewartet und waren vermutlich alle im Westen der Stadt unterwegs.

Der Vergleichskampf war also dem Mauerfall zum Opfer gefallen.

Wir machten uns auf den Weg in die Stadt, um unser Ostgeld los zu werden. Am Alexanderplatz, am roten Rathaus, am Fernsehturm – überall waren die Restaurants ausverkauft. Aber dann fanden wir doch noch eine Bar. Es gab Bier, Krimsekt und – als einzige verfügbare Speise – Palatschinken. Als wir das Lokal wieder verließen, war auch dieser ausverkauft.  Auf der Rückreise standen wir natürlich wieder im Stau bis Marienborn.

Nach 28 Stunden Reise waren wir am Sonntagmorgen unverrichteter Dinge zurück in Lemgo.

Historische Bilddokumente kann ich leider nicht liefern, da die Kamera, die uns der Reporter vom Westfalenblatt mitgegeben hatte, fehlerhaft bedient wurde.

Der Sportaustausch mit den ostberliner Karateka fand dann im Januar 1990 in Lemgo statt.

Die Berliner um Axel Dziersk und ein Leipziger kamen zu einem Bundesbestenlehrgang (BBL) mit Hideo Ochi und Teruo Kono nach Lemgo. Die Kyu-Träger trainierten parallel bei Marian Glad. Axel Dziersk und seine Truppe führten abends bei einer Budo-Gala zur 800-Jahrfeier von Lemgo vor 2000 Zuschauern in der Lemgoer Lüttfeldhalle eine grandiose Samuraishow vor. Die folgende Lehrgangsfete dauerte bis in die frühen Morgenstunden.

Text: Stefan Krause

Die nächsten Termine:

november

09nov9:3013:00Prüfer:innen- und Stilrichtungslehrgang KempoWesel, Petristr.

09nov10:0014:00Landeslehrgang SOK: Vorbereitungslehrgang für DanprüfungenMarl, Turnhalle der Overbergschule

09nov10:0017:00Shitoryu Kata LehrgangHamm, Sporthalle der Stephanusschule

09nov10:0018:00NRW Kids CupLangenfeld, Konrad-Adenauer-Gymnasium

10nov10:0014:30Prüfer:innenlehrgang Goju-RyuKamen, Turnhalle am Gymnasium

10nov10:0018:00Ruhrpott Kata-MarathonBochum, Lohringhalle

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