„Frauen waren damals im Karate eine Minderheit.“ – Elisabeth Bork im Interview

Elisabeth, dir wurde im September 2013 die DKV-Ehrennadel in Gold verliehen. Was war das für ein Moment, was bedeutet eine solche Ehrung für dich?
Also in diesem Fall war es sehr bewegend, weil Franz sich sehr gefreut hätte über die Ehrung. [Anmerkung der Redaktion: Elisabeths Mann Franz verstarb im November 2012.] Er war in diesem Augenblick sehr nah bei mir. Natürllich habe ich mich gefreut, weil ich viel für den Verband gemacht habe und das ist dann eine schöne Anerkennung.

Welche Aufgaben, Ämter, Funktionen hast du denn in den vergangenen Jahren bzw. Jahrzehnten für den Verband, also den DKV, aber auch für den KDNW, übernommen?
Von 1978 bis 1986 war ich Frauenreferentin auf Landes- und von 1979 bis 1985 auch auf Bundesebene. Danach habe ich mich im Jugendbereich des KDNW engagiert. Auf Bundesebene war ich von 1993 bis 1995 Vizepräsidentin. Danach bin ich dann ins Hauptamt eingestiegen und das schließt – auf Landesebene zumindest – das Ehrenamt aus.
Das ist eine ganze Menge.
Ja, das stimmt, aber das eine hat sich  aus dem anderen ergeben.
Und wenn wir noch einen Schritt weiter zurückgehen? Du warst ja auch als Wettkämpferin aktiv.
1976 bin ich mit Wettkämpfen angefangen. Das war für Frauen damals ja noch nicht selbstverständlich. Selbst Kata gab es für

Frauen teilweise noch nicht bei den Meisterschaften. 1977 ging es dann richtig los bei mir. Auf der Deutschen Meisterschaft konnte ich auf Anhieb den vierten Platz machen. Und das nach drei Stechen, es war also ziemlich eng in der Spitze. Und dann ging es kontinuierlich weiter, ich habe immer Kata und Kumite gemacht, sowohl im Einzel als auch im Team, so dass ich insgesamt zehn Deutsche Meister-Titel sammeln konnte. Parallel dazu gab es dann noch die DKB-Meisterschaften, wo ich auch erfolgreich war. Obwohl ich immer in Kata und Kumite gestartet bin, lag mein Schwerpunkt schon auf letzterem. Später kam dann nach langen Kämpfen endlich die internationale Ebene im Kumite dazu. Das erste Mal 1983. Da konnte ich dann auch international starten und habe bei der Europameisterschaft direkt den zweiten Platz belegt. 1984 habe ich dann im damaligen anderen europäischen Verband den Titel geholt. 1988 bin ich zum letzten Mal gestartet, da bin ich im Kata-Team eingesprungen, weil aus dem Bochumer Team jemand krank geworden war, und wir haben noch mal den DM-Titel geholt.

Da hast du ja eine ganze Menge Kämpfe absolviert und Titel geholt.
Die Kämpfe auf der Fläche waren das eine, die Kämpfe auf der ehrenamtlichen Ebene das andere. Wie gesagt waren Frauen damals im Karate noch eine Minderheit. Als ich anfing, haben die Prüfer immer ganz komisch geguckt, wenn eine Frau antrat. Dann ging es in erster Linie darum, eine Akzeptanz zu schaffen für Frauen-Kumite. Das war am Anfang sehr schwierig. Kampfrichter haben sich beispielsweise geweigert, Frauen überhaupt zu bewerten. Zur ersten Deutschen Meisterschaft mussten wir alle ein Schwangerschaftsattest mitbringen, ansonsten hätten wir nicht kämpfen dürfen. Es gab natürlich auch keinen Brustschutz oder ähnliches, da war man auf Bastelarbeit angewiesen. Das war eine sehr spannende Zeit. Aber auch sehr schön. Unter den Frauen herrschte ganz viel Solidarität. Diese Zeit möchte ich nicht missen. Auch wenn heute vieles einfacher ist, die Wege schon bereitet sind, aber so „Einstiegszeiten“ haben immer etwas Besonderes.
Du beschreibst, wie ungewöhnlich es damals noch für Frauen in Deutschland war, Karate zu machen? Wie bist du dann überhaupt zum Karate gekommen?
Falscher Tag – oder richtiger Tag (lacht) – in der richtigen Halle. Ich wollte eigentlich Gymnastik-Tanz machen und habe mich mit dem Wochentag vertan. Für mich war es sehr schwierig, überhaupt dorthin zu kommen, denn meine Familie lebte im Wald auf einem kleinen Hof. Meine Eltern hatten kein Auto und so bin ich irgendwie mit Bus und Bahn zur Halle gefahren, ich war damals 16 Jahre alt. Angekommen, stellte ich fest, es ist der falsche Tag, aber der Hausmeister tröstete mich: „Da kommen gleich welche, die haben weiße Jacken an, die machen Judo oder so und da kannst du bestimmt mitmachen.“ Das habe ich dann auch getan, weil ich mir dachte, dann bin wenigstens nicht umsonst da. Und es war einfach klasse! Es hat Spaß gemacht. Ich habe mich in der ersten Trainingseinheit köstlich amüsiert über diese ganzen Sachen wir Abgrüßen usw. Das fand ich einfach urkomisch. Und die Leute waren nett, die haben mich nach Hause gebracht und das war entscheidend, um dabei zu bleiben (lacht). Ja und so bin ich beim Karate gelandet und habe innerhalb kürzester Zeit gemerkt, dass das genau mein Sport ist, weil es einfach ein ganz besonderes Bewegungsgefühl gibt. Diesen Wechsel von Anspannung und Entspannung hat man in kaum einer anderen Sportart so extrem hintereinander, das verschafft ein gutes Körpergefühl. Und das ist eigentlich der Grund gewesen, warum ich dabei geblieben bin.
Ist Karate für dich Kampfkunst oder Kampfsport?
Beides. Es verändert sich. Zuerst war es das Lernen einer Bewegung, einer Kunst, dann ging es über zum Wettkampfsport, man wollte sich vergleichen, das war über Jahre sehr entscheidend. Da ich aber immer viel Technikschulung gemacht habe, ist mir der Übergang später in den Breitensport und die Kampfkunst auch sehr leicht gefallen. Franz hat ja immer sehr viel Wert auf die richtige Technikausführung gelegt, das galt für Kata und Kumite gleichermaßen.
mit elisabeth 1977 alte bilder franz 2Du sprichst von Franz. Welche Menschen sind für dich im Karate Vorbilder, wer hat dich besonders geprägt auf deinem Weg?
Sicherlich Franz – als Mensch, als mein Partner. Einfach auch, wie er diese Kampfkunst gelebt hat. Das habe ich ja sehr intensiv miterlebt. Als wir dann im Haus einen eigenen Trainingsraum hatten, wie oft hat er da zu mir gesagt: „Ich geh mal kurz runter, ich muss mal was ausprobieren.“ Oder auch: „Kommst du mal? Ich möchte mal etwas sehen.“ Er war immer unglaublich interessiert, sich weiterzuentwickeln. Das hat mich beeindruckt. Auch, mit welcher Lust und Freude er das immer gemacht hat, das war unglaublich ansteckend und inspirierend. Wir haben auch sehr viel diskutiert, über einzelne Techniken zum Beispiel. Von daher war er es, der mich geprägt hat. Ich habe aber auch über Jahre bei Herrn Ochi trainiert und viel gelernt, muss ich sagen. Und auch Peter Trapski aus Essen, der ein sehr ansprechendes und abwechslungsreiches Training macht, zählt zu denen, die mir am Anfang meines Karate-Weges viele Impulse gegeben haben. Aber letztendlich richtig geprägt hat mich wirklich Franz.
Was ist dein Interessensschwerpunkt aktuell im Karate, welche Ziele verfolgst du heute?
Dieses Jahr hattee ich eine Hüftoperation und im Moment versuche ich erstmal, überhaupt wieder richtig Karate zu machen. Die Geradeaustechniken funktionieren schon wieder ganz gut, aber Techniken wie Mawashi-Geri oder Yoko-Geri, die ich früher wirklich sehr gut konnte, fallen mir noch schwer. Mir geht es darum – ich gehe ja langsam auf die 60 zu – mir einen gewissen Stand wieder zu erarbeiten und zu erhalten. Mir das Bewegungsgefühl wieder zu verschaffen, das ich einmal hatte und das natürlich verloren geht, wenn man eine gewisse Zeit nicht so trainieren kann, wie man möchte. Aber ich stelle immer wieder fest, wie gesund unser Sport ist, weil er ein Rundum-Paket bietet bezüglich Kraft, Koordination, Ausdauer, Gleichgewicht usw.
Was wünschst du dir für die Zukunft für das Karate in Deutschland und in NRW?
Ich würde mir wünschen, dass die vielen guten Trainer und Trainerinnen, die wir haben, weiter so gut arbeiten wie bisher. Und ich würde mir noch mehr Leute wünschen, die sich ausbilden lassen und inspirierend auf die neuen Anfänger wirken, damit diese auch die Möglichkeit haben, Karate in der ganzen Breite kennenzulernen. Ich denke, ein gut ausgebildeter, motivierter und begeisterter Trainer bzw. Trainerin ist für den Verband Gold wert. Wir versuchen im KDNW in der Ausbildung das Beste zu geben, damit möglichst viele Leute Anregungen mitnehmen, aber auch Spaß und Freude in ihre Vereine weitertragen. Manchmal geht es nicht nur um die perfekte Technik, sondern auch um die Begeisterung – und diese zu vermitteln, das kann man auch lernen.
Was macht dir an deiner Arbeit besonderen Spaß?
Ich arbeite jetzt 25 Jahre beim KDNW und habe bisher immer sehr gerne für den Verband gearbeitet, weil er mir viele Möglichkeiten gab, Dinge zu gestalten. Das hat meinen Lebensweg geprägt, immer wieder etwas Neues angehen, durchsetzen zu können, Leute mitziehen – das ist etwas, wofür ich in meinem Leben sehr dankbar bin, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe und ich hoffe auch, dass ich das noch sehr lange machen kann.  
Vielen Dank für das Gespräch.

Interview und Porträt: Eva Mona Altmann
anderes Bild: Privat

Die nächsten Termine:

märz

30märz9:4518:00Bonner Kata-MarathonBonn Bad Godesberg, Sportpark Pennefeld

april

02apr(apr 2)16:0004(apr 4)13:00Oster Kumite CampRhein Berg Karate Bergisch Gladbach

06apr(apr 6)9:0007(apr 7)14:30AusgebuchtTrainer:innen- C – Ausbildung, Breitensport - Teil 1Duisburg, Sportschule Wedau

06apr10:0022:00Rheinland-Pfalz Open / Krokoyama CupKoblenz, CGM-Arena

13apr10:0013:00Kata-Lehrgang mit G. KarrasKöln, Sporthalle Westerwaldstraße

13apr10:0014:00Stilrichtungslehrgang KoshinkanBSC Oberhausen

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