Im Mai dieses Jahres hat mich meine Kindergartenfreundin Alex zu sich nach Malawi eingeladen. Seit über zwanzig Jahren ist sie auf dem schwarzen Kontinent mit Entwicklungszusammenarbeit tätig und beheimatet. Nach meiner Zusage kam sie dann im Juni auf die Idee, ob ich dort für die Frauen und Mädchen Gewaltschutzkurse geben könnte. Solche Herausforderungen liebe ich, einmal an andere Menschen Hilfe weitergeben zu können und diesmal in Englisch oder mit Übersetzer ins Chichewa.
So kam auch mein Spendenaufruf über „Gofundme“ ins Rollen und Karateka, Dojos aus OWL, mein Arbeitgeber, Freund:innen und Kolleg:innen haben diese Kampagne mit Geld- und Sachspenden stark unterstützt.
Am Wochenende habe ich meine zwei riesigen Koffer, je 23 kg, gepackt und Montag ging es dann zum Flughafen Frankfurt. Gute sieben Stunden dauerte der Flug nach Addis Abeba und nach drei Stunden Aufenthalt weiter der dreistündige Transit nach Lilongwe, Malawi.
Ankommen: Malawi gehört zu den zehn ärmsten Länder dieser Erde und ist das dichteste bevölkerte Land Afrikas, 180 Menschen auf einem Quadratkilometer, Vergleich BRD 225 Einw/km², mit steigendem Wachstum, 45% der Malawier sind jünger als 15 Jahre, ein „Kinderstaat“.
Lilongwe liegt 1.047 Meter hoch und zu dieser Jahreszeit herrschten dort tagsüber meist 34 Grad, nachts nur eine unwesentliche Abkühlung. Der obligatorische Reisedurchfall hat mich dazu noch geschwächt und in der ersten Woche hieß erstmal nur einleben und planen. Erschwerend hinzu kam der Sonnenuntergang um 18 Uhr, Schlafenzeit um 20 Uhr ist normal, weil um 5 Uhr morgens das Licht wieder angeknipst wird. Aktuell noch immer meine Aufwachzeit.
Die in Facebook gefundenen Karate-Vereine haben Corona wohl nicht überlebt, die japanische Botschaft in der Nachbarschaft meiner Unterkunft hatte auch keine Kontakte mehr, doch mit Peter Kachapila, 41 Jahre, Fitness- und Kickboxtrainer, und seiner Frau Chisomo haben wir adäquaten Ersatz gefunden. Sie leiten das Projekt „Little Eden“ und geben Street Kids in den Slums hinterm Lizulu Market schulische und sportliche Lebenshilfe, sowie drei warme Mahlzeiten in der Woche, finanziert durch Spenden von Familie, Freund:innen und Kirche.
Meinen ersten Einsatz hatte ich dann am Sonntag mit 14 elitären Frauen. Die betuchten Damen aus Irland, Indien, Afrika, Deutschland, Italien und Brasilien erfreuten sich an Sicherheitstipps. Ein bisschen „English for Runaways“, mit viel Spaß und Humor ging es an die ernsten Themen aus der Selbstbehauptung, abschließend mit einfachen und effektiven Techniken aus der Selbstverteidigung am Partner oder am Schlagpolster. Dies fand im “Farmers Daughter” statt und ließ die Spendenkasse für die Street Kids noch ein bisschen klingeln.
Am Dienstag wurde es dann Ernst. Meine Gastgeberin fuhr mich zur Mall „Game“ und George, 15 Jahre alt, führte uns von dort über den Lizulu Market durch die verwinkelten Trampelpfade des Slums zum „Little Eden“.
Wirklich ein kleines Paradies: zwei Schulräume und ein eingezäunter Hof mit etwas Schatten bei den Sitzgelegenheiten und ein betonierter Übungsplatz in der prallen Sonne. Herzlicher Empfang durch Peter und die neugierigen Mädchen und Jungen. Sogar die Kleinen, die gerade erst laufen konnten, schlossen sich nach anfänglicher Scheu an und umarmten uns überschwänglich.
Spielerisch habe ich mit den Mädchen das “Lautwerden”, Griffbefreiung, Treten und Schlagen im Notfall trainiert. Peter hat vom Englischen ins Chichewa übersetzt und mit Körpersprache, Gestik und Mimik sowie passender Tonart konnte ich die Mädchen auch direkt erreichen. Bei 34 Grad in der Mittagssonne keine Zuckerschlecken, eher eine extra Herausforderung für mich. Die leuchtenden Augen und das Lachen der Mädchen waren eine großartige Belohnung. Beim zweiten Termin habe ich die Sachspenden an Peter übergeben und die Mädchen haben sich sehr über die Turnschuhe, Sporthosen und Shirts gefreut. Mit den gesammelten Materialien aus den ostwestfälischen Dojos, große und kleine Schlagpolster, Fuß- und Beinschützer, haben wir noch mal im kleinen Klassenraum mit ihnen trainiert. Schulhefte und Stifte sowie die kleinen Taschenmesser habe ich an Peter für den Schulbetrieb und explizit für die Mädchen übergeben. Er will die Mädchen weiterhin sportlich fördern und unterstützen.
Den vierten Kurs gab es im Rahmen einer Bewegungspause für malawische Frauen eines internationalen Unternehmens, diese Pause haben wir aus Betriebsamkeit auf über 90 Minuten ausgedehnt und Themen wie Achtsamkeit, Griffbefreiung sowie Treten und Schlagen mit einem kleinen Abschluss-Drill behandelt. Hier konnte ich Fragen der Frauen direkt auf Englisch gut beantworten. Und Schlagen kann viel Spaß machen, wie es den Reaktionen der jungen Frauen zu entnehmen war.
Eine kleine Safari in Sambia hat meinen Aufenthalt dort abgerundet. Diese erfolgte mit Pleiten, Pech und Autopanne. Merke: nächstes Mal ein Multitool einpacken.
Der Grenzübertritt hat über drei Stunden gedauert inklusive Währungstausch auf dem Schwarzmarkt – seitens der Amtsträger sind Kreditkarte und Euros nicht gern gesehen, US-Dollar umso lieber. Das neue und hochmoderne Grenzgebäude wurde nebst Admin etc. von Deutschland aus finanziert. Früher dauerte der Übertritt maximal eine halbe Stunde am Stempeltisch. Die Tier- und Pflanzenwelt hat das ganze wieder wettgemacht, obwohl mich eine leise Angst beschlich, ob ich meinen Rückflug erwische…
All dies war nur durch den guten Support meiner beiden Gastgeberinnen möglich, die mich gefahren und unterstützt haben, ein großes Dankeschön an die beiden!
Ein herzliches Dankschön nochmal an alle Unterstützer:innen dieser Aktion. Einige werde ich sicherlich noch persönlich sprechen und meine Eindrücke und weitere Fotos zeigen können. Dies war vielleicht nur ein Tropfen auf den sprichwörtlich heißen Stein hier in Afrika und aufgrund der anstehenden Hungersnot im Dezember werden viel größere Probleme erwartet. Dennoch ich bin dankbar und glücklich, dies erlebt haben zu dürfen.
Zikomo und Oss!
Text und Foto: Birgit König
(ema)